Konflikteskalation

Wie so manche Dinge im Leben entwickelt sich ein Konflikt im Laufe der Zeit und gewinnt an Intensität. Wie ein Gewitter kündigt er sich durch dunkle Wolken am Horizont an. Der Wind wird stärker, dann fangen die ersten Tropfen an zu fallen, dumpfer Donner grollt in der Ferne. Und wenn es ganz schlimm kommt, dann hat ein Blitz am Ende in ein Dach eingeschlagen, Unterführungen überschwemmt und Menschen getötet.

So ähnlich verläuft es bei einem Konflikt. Am Anfang ist es eine Verstimmung, man streitet sich um eine Sache, eine Angelegenheit. Dann verhärten sich die Fronten und es geht nicht mehr um die Sache, sondern darum dass das Gegenüber „zu doof ist“, „nicht kompetent“ sowieso „schuld ist“. Jetzt geht es um die Person/en, mit der/denen man den Konflikt hat. In der letzten Stufe geht es den Konfliktparteien darum, das Gegenüber zu schädigen. Auch wenn das bedeutet, dass man selber verletzt wird. Das wird akzeptierend in Kauf genommen. Bis beide Konfliktparteien gemeinsam in den Abgrund stürzen.

Dieser Ablauf wurde vom österreichischen Organisationsberater und Konfliktforscher Friedrich Glasl in drei Ebenen und neun Stufen eingeteilt.

Glasl hat bewusst eine Treppe nach unten gewählt, da die Konfliktparteien mit jeder Stufe tiefer in der menschlichen Moral rutschen. Es ist auch nicht möglich innerhalb eines Konfliktes in die vorhergehende Stufe zurück zu kehren.

Ebene I
win – win

Diese Ebene wird als sachbezogen–konstruktiv bezeichnet. Ein Ausstieg aus dem Konflikt auf dieser Ebene ermöglicht es beiden Parteien, als Gewinner herauszugehen. Es ist noch möglich friedlich – möglicherweise durch Vermittlung einer/s Dritten – den Konflikt zu beenden.

  • Stufe 1: Verhärtung

Es kommt zu Meinungsverschiedenheiten, erste Spannungen sind spürbar. Die Meinungen prallen aufeinander und die Fronten verhärten sich. Aber die Meinungsverschiedenheiten sind noch durch Gespräche lösbar.

  • Stufe 2: Polarisation & Debatte

Die Meinungsverschiedenheiten werden fundamentaler. Es wird versucht das Gegenüber mit rationellen Argumenten zu überzeugen. Jetzt wird auch schon mal Druck ausgeübt, um das Gegenüber zu überzeugen. Die Konfliktparteien können nur noch im kompromisslosen schwarz-weiß denken und verbale Gewalt wird eingesetzt.

  • Stufen 3: Taten statt Worte!

Auf dieser Stufe kommen die Konfliktparteien mit reden nicht mehr weiter. Die Gespräche drehen sich im Kreis und der Versuch der Kommunikation wird frustriert abgebrochen. Der Druck auf das Gegenüber muss erhöht werden – statt Worte sind ab jetzt Taten nötig. Das Menschliche tritt in den Hintergrund und aus der Empathie wird nun Misstrauen. Dadurch wird der Konflikt verschärft. Nun geht es nicht mehr um die Sache, sondern um den/die Menschen mit dem/denen der Konflikt besteht.

Ebene II
win – lose

Diese Eben wir als beziehungsbezogen-kompetitiv bezeichnet. Die Sache um die es ging ist häufig kaum mehr erkennbar. In dieser Ebene ist das Ziel dem anderen die Maske vom Gesicht zur reißen und zu zeigen, dass sie/er der schlechtere Mensch ist. Auf dieser Ebene kann nur noch einer als Gewinner aus dem Konflikt hervorgehen. Auf dieser Ebene ist ein Ausstieg aus dem Konflikt nur noch durch die Hilfe einer/s Dritten möglich.

  • Stufe 4: Sorge um Image & Koalition

Auf dieser Stufe suchen sich die Konfliktparteien Anhänger und Verbündete zur Unterstützung. Es werden Parteien gebildet, welche miteinander im Kampf sind. Um die andere Partei zu schädigen, werden Gerüchte verbreitet und Imagekampagnen inszeniert. Es geht nicht mehr um die Sache, sondern darum, den Konflikt zu gewinnen.

  • Stufe 5: Gesichtsverlust

Auf dieser Ebene ist die Moral bereits ziemlich im Keller. Die Angriffe sind direkt gegen die Person gerichtet und die Konfliktparteien beginnen diese Schläge „unter die Gürtellinie“ zu platzieren. Es geht darum, den anderen bei jeder sich bietenden Gelegenheit bloßzustellen. Der Verlust der Moral und des gegenseitigen Vertrauens gehen mit dem Gesichtsverlust einher. Das kann dahin führen, dass sogar allein der Anblick des Kontrahenten negative Gefühle erzeugt.

  • Stufe 6: Drohstrategien

Nun geht es darum zu zeigen, welche der Konfliktparteien mehr Macht hat. Drohungen und Gegendrohungen dienen dazu, die mächtigere Position zu besetzen und durchzusetzen. Forderungen werden von potentiellen Bestrafungen flankiert und der Möglichkeit diese auch durchzusetzen. Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Bestrafung erfolgt, desto eher kommt das Gegenüber der Forderung nach. Wer hat mehr Macht die schlimmsten Bestrafungen durchzusetzen? Der Konflikt eskaliert immer weiter und schon sind die Konfliktparteien auf der nächsten Ebene angelangt – auf der es nur noch Verlierer gibt.

Ebene III
lose – lose

Ab hier gibt es nur noch Verlierer im Konflikt. Diese Ebene wir auch als gewaltbezogen–destruktiv bezeichnet. Und dadurch sind die einzelnen Ebenen gekennzeichnet.

  • Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge

Der Verlust der Menschlichkeit. Die Konfliktpartei wird nicht mehr als Mensch wahrgenommen, sondern als eine Sache, ein Ding. Es werden alle Maßnahmen ergriffen, um dem anderen zu schaden. Wenn der eigene Schaden dabei geringer ist, so wird dieses schon als Gewinn betrachtet. List und Lüge sind adäquate Mittel im Krieg. Werte und Tugenden treten in den Hintergrund.

  • Stufe 8: Zersplitterung

Die Parteien werden immer aggressiver. Es geht darum das Feindsystem zu zerstören und dieses in seine Bestandteile zu zerlegen. Dies geht bis zur physisch/Materiellen und/oder psychischen Zerstörung des Gegners. Das eigene Überleben darf aber noch nicht in Gefahr gebracht werden.

  • Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund

Es führt kein Weg zurück. Es kommt zur totalen Konfrontation der beiden Parteien. Mindestens eine Partei geht dabei bis zum Äußersten und es werden alle Mittel der Gewalt eingesetzt. Der Gewinn ist, dass beim Sturz in den Abgrund der Gegner mitgerissen wurde.

– Game Over –